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Die Geschichte des Vogthauses

Strandgaarden - Die Geschichte des Vogthauses Hanstholm

Am 30. Juli 2004 fing mich unser Community-Mitglied Muschel vor unserem Ferienhaus in Vorupør ab, um mir unter anderem eine echte Rarität zeitgeschichtlichem Reportertums in die Hand zu drücken: Ein Artikel aus dem Thisted Dagblad von 1975. Muschel war es auch, der uns seine tollen Bilder vom Vogthaus zur Verfügung gestellt hat und so diese Geschichte noch aufwertet. Unser Dank geht auch an unsere Dolmetscherin Muddern, die mit Hingabe an der Übersetzung des Artikels gearbeitet hat.
Wenn man diesen Artikel liest, erscheint er an einigen Stellen eher einem Poesiealbum entsprungen statt geschichtliche Recherche eines seriösen Journalisten des Thisted Dagblad zu sein. Aber bildet Euch selber ein Urteil, wir finden jedenfalls, dass er Bereicherung für alle Thy-Interessierten ist. Viel Spaß beim Lesen!

Artikel aus dem "Thisted Dagblad", Sonnabend, den 29. März 1975

Das Schloss am Meer wird aus der Einsamkeit geholt!

Das Vogthaus 1999
Mit verblichenen und vernagelten Eichentüren liegt ein kleines Zauberschloss in der äußersten Dünenreihe südlich von Hanstholm. Als es 1916 gebaut wurde, war es noch das am einsamsten gelegene Schloss des Landes. Kein Weg führte dorthin und es war weit bis bis zur nächsten Behausung. Nun fahren Autos auf der neuen Küstenstraße vorbei, aber die wenigsten wissen, dass das Schloss am Meer in seiner abgeschlossen Unnahbarkeit ein Stück dänische Geschichte verbirgt, und dass Prinzen und Prinzessinnen hier in den weißen Dünen und der sommerlich schmeichelnden See ein Paradies gefunden hatten.

Holzschnitt einer BarkDas gelbgekalkte Gebäude mit den schwarzen Schornsteinen (Anmerkung: Später waren diese weiß!) auf dem strohgedeckten Dach hatte ein anderes Sommerschloss, nämlich "Klitgaarden" in Skagen als Vorbild, als es 1916 von dem Industriellen und Schiffsreeder Axel Olaf Andersen gebaut wurde. An den Eichenpfosten über dem Haupteingang ist eine Querlatte mit einer Bark - das Firmenzeichen des Reeders - eingeschnitzt: Andersen wollte mit seinen Schiffen "reden"!
Warum wollte dieser Reederfürst, dessen Name unlösbar verbunden ist mit Reedereien wie "Valkyrien", "Viking", "Gorm", "Skold" und "Carl", ein Sommerschloss in dieser Einöde bauen? Nun, das Jahr 1916 war noch so weit entfernt vom technischen Zeitalter und in der dänischen Handelsflotte kannt man noch wenig von Telegraphie und Radio als Verständigungsmittel.
Als die Schiffe wärend des Ersten Weltkrieges 1914-1918 viele Monate auf den Meeren unterwegs waren, war die Rückkehr jeweils mit großer Spannung verbunden. Dies veranlasste den Reeder in Hanstholm zu bauen. Wenn die Schiffe in den Skagerrak mit Kurs auf Kopenhagen, Ålborg oder Århus einlaufen sollten, war Hanstholm das erste Stück Dänemark, das auftauchte und so konnte Andersen als erster seine Schiffe begrüßen.

An seinem Sommerschloss errichtete A.O. Andersen deshalb einen hohen Signalmast, mit dem er unter Zuhilfenahme von Signalflaggen in allen möglichen Mustern und Farben mit seinen Schiffen "snakken" konnte, wenn Sie auf der Heimkehr die Spitze von Hanstholm passierten oder dort vor Anker gingen. Da der damalige Kronprinz Frederik ein Freund des Schiffsreeders und dessen Sohnes war, wurde ein Königszimmer eingerichtet. Hier trug sogar der Kachelofen eine Königskrone als Haube!
Da sowohl Mitglieder des Königshauses als auch die vornehme Kopenhagener Gesellschaft den Reeder besuchten, wurde das Sommerschloss, das "Strandgaarden" getauft wurde, mit vielen Zimmern und und einem großen Kaminsaal eingerichtet, wo man die Dämmerung am Feuer genoss oder dem roten Sonnenuntergang zusah. "Strandgaarden" konnte ebensoviel Komfort bieten, wie ein Palast in Kopenhagen.

Aufgrund von Enteignung und Landaufkauf in Verbindung mit dem Beginn des Hafenbaus, ging "Strandgaarden" 1921 in den Besitz des Staates über. Es sollte dann eine Wohnung werden für einen Ingenieur des Hafenprojektes. Doch der hatte kein wirkliches Interesse, in einem Haus zu wohnen, das keinen Straßenanschluss besaß und keine Nachbarn hatte!

Ein Lebenskünstler und Philosoph sollte dann für lange Jahre Schlossherr sein. Für 322 Kronen im Jahr mietete der Schriftsteller Bertel Budtz Müller (1890-1946) "Strandgaarden". Eine Epoche als KünstlereldoradoBertel Budtz Budtz MüllerMüller lebte nun auf. Schauspieler, Maler, Bildhauer und Schriftsteller scharten sich um den fröhlichen und großzügigen Budtz Müller, der immer Heringe in der Tonne, geräuchertes Lammfleisch im Schornstein, alten Käse im Keller und Branntwein im Schrank hatte!
Während dieser Zeit erhielt das Sommerschloss ein blaues, ein gelbes und ein rotes Zimmer. Eine von Budtz Müllers Abendvergnügungen war es, seine Freunde so vor der Wand aufzustellen, dass das Kerzenlicht einen Schatten von Ihnen auf Wand und Türe warf. Bertel füllte den Schatten dann mit Farben aus und erhielt so eine Portraitgalerie von Menschen, die in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts das Geistesleben anführten...

War der riesengroße Bertel Budtz Müller schwer und bedächtig zu Fuß, so kam seine Nachfolgerin wie ein Reh daher: Ingeborg Brams!

Ingeborg BramsDie königliche Hofschaupielerin Ingeborg Brams (1921-1989) musste bis zu 1000 Kronen jährlich aufbringen, um "Strandgaarden" als Sommerhaus zu mieten. Aber so wie Bertel Budtz in das Abenteuerhaus passte, bekam es jetzt einen romantischen Rahmen um die neue Ingeborg Brams (keine Vergrößerung)schlanke Frau aus der nationalen Schauspielerszene.
Niemand sah sie auf ihren einsamen Wanderungen in dem 4000 Hektar großen Wildreservat, das an "Strandgaarden" angrenzte. Dünen, Dünenseen, Kiefernplantagen und weite Heidelandschaft standen ihr zur Verfügung. Hier wohnten ja keine Menschen und niemand begab sich auf eine Reise in diese Weiten.
Entstanden einst Mythen und Gerüchte um den massigen Bertil Budtz, der dunkel und polternd wie das Meer selbst sein konnte, wenn die Probleme ihm zuviel wurden, passte die Sommerhelle Ingeborg genauso harmonisch in das Panorama der sonnengebleichten Dünen und glitzernden Dünenseen. Sie war eine Schlossfrau von dem gleichen ästhetischen Reiz wie der Abendnebel, der an lauen Sommerabenden von der Heide im zauberhaften Tanz über die Hügel schwebte.

1955 wurde "Strandgaarden" erneut versiegelt und verrammelt. Die Mieterin war für immer abgereist...
In den späteren Jahren wurde "Strandgaarden" im Sommer von einer Foto: MuschelKopenhagener Ärztefamilie bewohnt. Nun musste im Monat genausoviel bezahlt werden, wie früher im ganzen Jahr! Abends schickte das Hanstholm Leuchtfeuer seine hellen Strahlen über das Meer. Diese trafen auch "Strandgaarden" mit kurzem Schein und in diesem Sekunden war das Schloss gebadet in Licht.
In einigen wenigen Jahren liegt "Strandgaarden" nicht mehr einsam. Es wird eine große Erweiterung des Hanstholm Hafens, die bis in die Dünen und zu diesem Gebäude reichen soll, geben. Dann wird das Haus so dicht an den Kaimauern liegen, dass es eine zentralgelegene begehrte Wohnmöglichkeit sein wird! (Die Übersetzerin merkt hierzu an: "War wohl nix!")
Alter StandortDas Vogthaus
Hier stand "Strandgaarden" bis 1999

Anmerkung von uns: 1999 wurde "Strandgaarden" aufgrund einer erneuten Hafenerweiterung abgerissen, nach dem man sich aus Kostengründen nicht über eine Verlagerung des Hauses einig werden konnte. Links im Bild wo die Erdhaufen liegen - da hat es gestanden...

Quelle: Thisted Dagblad vom 29.03.1975
Übersetzung: Muddern

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